Gemeinsame Agrarpolitik: Rahmenbedingungen nicht akzeptabel

Unsere Stellungnahme vom 15. Januar 2021 an das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus: Stellungnahme zur Bedarfsanalyse zur Erstellung des Österreichischen GAP Strategieplans

Gemeinsame Agrarpolitik: Rahmenbedingungen nicht akzeptabel – Bedarf und Maßnahmen unzureichend abgestimmt

Auf EU Ebene finden seit Dezember 2020 Trilog-Verhandlungen für die neue gemeinsame Agrarpolitik zwischen Rat, EU-Kommission und EU-Parlament statt. Am Ende der Verhandlungen steht die neue GAP, welche dann ab dem Jahr 2023 bis zum Jahr 2027 gültig sein wird. Die Grundbedingungen sind denkbar schlecht und die jeweiligen Positionen entsprechen kaum dem tatsächlichen Bedarf einer nachhaltigen Landwirtschaft und resilienten Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln. Die GAP muss deshalb auf europäischer und auf Österreichischer Ebene noch fundamental weiterentwickelt werden. Sie ist in ihrer derzeitigen Ausrichtung für tausende landwirtschaftliche Betriebe und die Bevölkerung in ganz Österreich nicht zielführend.

Die drei Akteure auf EU Ebene verhandeln darüber ob 30% oder 20% der 387 Milliarden an qualitative Bedingungen geknüpft werden sollen. Zudem gibt es auch die Position des Parlaments, dass es aufgrund von „Gemeinsamkeit“ und „Chancengleichheit“ Mitgliedsstaaten nicht erlaubt wird, freiwillig mehr Gelder an Umweltmassnahmen und Mindeststandards zu knüpfen. Die nachhaltige Position aber wäre 100% der 387 Milliarden Steuergelder an Mindeststandards und Umweltmassnahmen zu binden. Es gibt aus Sicht der Bevölkerung und von tausenden biologisch wirtschaftenden Betrieben keinen nachvollziehbaren Grund, Steuergelder weiterhin in eine Landwirtschaft zu investieren, die chemisch-synthetische Pestizide verwendet, die Bewirtschaftung intensiviert, Antibiotika präventiv einsetzt, die Biodiversität vermindert, die Qualität der Gewässer und des Wassers beeinträchtigt, den Boden degradiert und die Haltung der Nutztiere nicht über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus verbessern möchte.

Die EU Kommission hat Empfehlungen für alle Mitgliedsstaaten zu den notwendigen Maßnahmen auf nationaler Ebene erarbeitet. Diese Empfehlungen basieren auf europäischen Daten und einer Bedarfsanalyse. Österreich erhält 13 umfassende Empfehlungen, die sich nur teilweise in der eigenen Bedarfsanalyse wiederfinden und praktisch gar nicht im derzeit diskutierten GAP-Strategieplan für Österreich. In der österreichischen Bedarfsanalyse sind auf nationaler Ebene 45 Bedarfe formuliert und nach Wichtigkeit und Dringlichkeit durch Expertinnen des Bundesministeriums BMLRT beurteilt worden. Zwischen den Empfehlungen der Kommission, der österreichischen Bedarfsanalyse und dem Entwurf des Strategieplans gibt es mehrere Bruchlinien:

  • Die vorgeschlagenen Maßnahmen gelten die systemischen Leistungen der Biolandwirtschaft nicht ab
  • Die vorgeschlagenen Maßnahmen erfüllen die gesetzten Ziele im Umwelt und Klimabereich nicht (Farm to Fork und der Biodiversitätsstrategie und dem Green Deal)
  • Die vorgeschlagenen Maßnahmen verbessern die landwirtschaftlichen Einkommen für Kleinbetriebe bei weitem nicht ausreichend

Die Österreichische Landwirtschaft hätte das Potential sich in eine nachhaltige Richtung zu entwickeln. Die derzeitige Bedarfsanalyse und aktuellen Positionen und Maßnahmen zur GAP und zum österreichischen GAP-Strategieplan bilden diesen Weg bei weitem nicht ab. Zu viel Geld fließt bedingungslos in die industrielle konventionelle Landwirtschaft, hin zu Grossbetrieben. Die heiklen Punkte und Handlungsbedarf für Österreich im Umweltbereich zeigt die Kommission datenbasiert auf:

  • Im Pestizidreduktionsplan gibt es keine quantitativen Ziele
  • Der Zustand der Gewässer (Grundwasser und Oberflächengewässer) ist nicht zufriedenstellend, besonders im Nordosten Österreichs. Die Wasserqualität entspricht nicht immer den Bedingungen der Nitratrichtlinie. Die landwirtschaftlichen Einträge (Dünger und Pestizide) beeinträchtigen 18% der Oberflächengewässer in Österreich so massiv, dass diese deswegen in keinem ökologisch guten Zustand sind.
  • Laut EU Kommissions-Einschätzung besteht ein großes Risiko, dass Österreich die vereinbarte Reduktion von Ammoniak bis 2030 nicht erreicht.
  • Es gibt kein Monitoring des Wasserverbrauchs durch die Landwirtschaft
  • Nährstoffverluste sind zu hoch, bzw. der Einsatz von Kunstdünger und die Düngungsintensität sind zu hoch
  • Weideflächen nehmen ständig ab (seit 2004 von 60% auf 47% im Jahr 2018)
  • Getreideflächen nehmen ab, sie werden durch intensiveren Mais- und Gemüseanbau ersetzt was unter anderem zu einer Abnahme des FBI (Farmland Bird Index), zur Zunahme der Bodenerosion und zu zusätzlichem Eintrag von Nitraten und Pestiziden in Böden und Gewässer führt
  • Die Lebensraumqualität nimmt insgesamt ab durch Verlust von Landschaftselementen und die Intensivierung in der Landwirtschaft
  • Der durchschnittliche Humusgehalt, bzw. der organische Kohlenstoff der österreichischen Böden liegt unter dem europäischen Durchschnitt.
  • Die Biodiversität nimmt stetig ab und ist vor allem in flachen, intensiv genutzten Gebieten ein großes Problem
  • Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist zu hoch
  • Die Landschaftsdiversität außerhalb des Berggebietes ist gering
  • Die Landwirtschaft trägt mit den vorgelagerten Prozessen mit 20% zu den Gesamtemissionen von Österreich bei. Treibhausgase aus der Landwirtschaft nahmen in den vergangenen Jahren in Österreich nur halb so viel ab wie im Durchschnitt in der EU.
  • Nahrungsmittelabfälle im Bereich der Primärproduktion müssen laut Kommission verstärkt reduziert werden
  • Schließlich wird festgestellt, dass ein signifikanter Teil der Österreicherinnen Übergewicht haben und die Ernährung aus Gesundheitsgründen weniger fleischlastig sein und mehr pflanzenbasierte Ernährung mit mehr Gemüse, Obst, Getreide, Nüssen etc. angestrebt werden sollte. Die österreichische Lebensmittelproduktion soll sich im Sinne der Versorgungssicherheit an diesem Ziel orientieren.

Österreich wäre gefordert Steuergelder einzusetzen um die Mindeststandards der gesamten Landwirtschaftlichen Produktion auf diejenigen der EU Bio Verordnung anzuheben – das heißt keine Betriebe mehr zu fördern, die…:

  • chemisch-synthetischen Pestizide einsetzen
  • Nährstoffverluste in Kauf nehmen und Kunstdünger einsetzen
  • die Produktion intensivieren (z.B. mehr als 1,5 GVE/ha halten)
  • Futtermittelimporte nicht reduzieren (Mindestgehalt an Grundfutter und Weide für alle festlegen)
  • keine ausreichende Fruchtfolge umsetzen
  • nicht biologisch wirtschaften und den Standard der Bioverbände anstreben
  • Biodiversitätsverlust auf ihren Flächen in Kauf nehmen (quantitative Zielsetzungen zur Lebensraumvernetzung festlegen)
  • keine Anstrengungen machen ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren
  • nicht die Bodenfruchtbarkeit und Humusmehrung fördern
  • keine Bodenbedeckung im Winter haben
  • keine Tierwohlmassnahmen umsetzen

Ausserdem ist es an der Zeit landwirtschaftliche Fachschulen als Betrieb und im Lehrplan sowie Facharbeiter und Meisterausbildung vollständig auf biologische Bewirtschaftung umzustellen.

Die ökonomische Situation der landwirtschaftlichen Betriebe und die fortlaufende Strukturbereinigung zu Ungunsten der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Österreich ist radikal zu wenden. Die Vergangenen Jahrzehnte der gemeinsamen Agrarpolitik und auch die österreichischen Maßnahmen haben versagt, wenn es um tragfähige landwirtschaftliche Einkommen geht und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe; insbesondere der Kleinbetriebe im Berggebiet.

Die Kommission misst dies unter anderem am Anteil der Österreichischen Landwirtschaftsbetriebe an der Wertschöpfung in der Nahrungsmittelproduktionskette, der nur 20% beträgt (Europäischer Durchschnitt liegt bei 27%). Ein weiteres trauriges Indiz des Versagens ist die Bruttowertschöpfung. Diese ist bei den österreichischen landwirtschaftlichen Produzentinnen in den letzten 10 Jahren nur um 13% gewachsen im Vergleich zu 34% in der Nahrungsmittelproduktionskette insgesamt. Die Markttransparenz in Österreich ist unzureichend und obwohl die Lebensmittelpreise in Österreich 24% über dem europäischen Durchschnitt liegen, liegen die Produzentinnenpreise weit hinten.

Im Vergleich zu den durchschnittlichen Verdiensten in Österreich sind die Einkommen der Landwirtschaft im Durchschnitt nicht einmal halb so hoch – und das schon seit mehr als 15 Jahren. Die Kommission stellt auch fest, dass die faktischen Ausgleichszahlungen für die Betriebe in benachteiligten Gebieten in keiner Weise die Direktzahlungen auf die Flächen ausgleichen. Besonders benachteiligt innerhalb Österreichs sind die Schaf-, Ziegen aber auch die Milchviehbetriebe. Deshalb braucht es – unter anderem – weitere Kompensationszahlungen für den graslandbasierten landwirtschaftlichen Sektor, speziell für die Betriebe im Berggebiet.

Dazu ist notwendig:

  • die ersten 20 ha jeden Betriebes stärker zu fördern und Förderhöhe nach oben zu begrenzen
  • Regionale Kreisläufe konsequent zu fördern und die Weltmarktorientierung in der landwirtschaftlichen Produktion aufzugeben (Ökomodellregionen und regionalen Absatz von regionalen Produkten fördern)
  • Erzeugerorganisationen und Verarbeitungsstrukturen in den Händen der Landwirte zu fördern (horizontale und vertikale Kooperation)
  • das Sozialversicherungssystem zu revidieren (Absicherung der Bäuerinnen, Sozialversicherung darf Mehreinnahmen von Nebeneinkünften nicht durch erhöhte Abgaben auffressen)
  • das Mindesteinkommen pro nichtbezahlte Arbeitskraft in der Landwirtschaft zu sichern (Bedingungsloses Grundeinkommen nicht auf Fläche sondern auf Arbeitsplätze zu orientieren)

Der Green Deal der EU soll dazu beitragen, die Erderwärmung einzudämmen. Um Europa aber bis 2050 oder gar früher CO2-neutral zu gestalten und die natürlichen Produktionsgrundlagen zu sichern, wird es wesentlich mehr brauchen als die von Rat und Europaparlament vorgelegten Verhandlungspositionen. Die Ziele der Biodiversitäts- und „From Farm to Fork“ Strategie brauchen denn auch Verbindlichkeit und Mindeststandards in der GAP. Was derzeit nicht der Fall ist.

Die Europäischen Trilogverhandlungen und die politischen Vorschläge in Österreich lassen derzeit die notwendige Verbesserung der Defizite und Bedarfe für eine zukunftsfähige GAP nicht erkennen.

Quellen und Basisdokumente: https://ec.europa.eu

Unsere Stellungnahme als PDF.

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